Was ist Frontex?
In der Europäischen Union wird der Raum nach außen hin abgeschottet. Zuwanderung wird ausschließlich unter dem Aspekt der Bekämpfung illegaler Migration und Einwanderung betrachtet und als Sicherheitsproblem behandelt. Entsprechend liegt der Schwerpunkt der EU darin, die Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitstaaten auszubauen, die Rückkehr- und Rückübernahmepolitik zu intensivieren und die Außengrenzen durch das integrierte Grenzschutzsystem zu verstärken.
Im Zentrum dieses Grenzschutzsystems steht die im Mai 2005 eingerichtete Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen, kurz Frontex (von frz. Frontières extérieures). Es handelt sich um eine Gemeinschaftsagentur der EU mit eigener Rechtspersönlichkeit und Sitz in Warschau. Hauptaufgabe von Frontex ist der Schutz der Außengrenzen durch die Koordination der operativen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und ihrer konkreten Unterstützung.
Frontex ist somit keine eigenständige Grenzschutzpolizei, sondern eine Agentur zur Harmonisierung und fortschreitenden Weiterentwicklung des europäisierten Grenzschutzes. Sie koordiniert die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten, indem sie einerseits eine Datenbank für technische Ausrüstungsgegenstände (Schiffe, Hubschrauber, mobile Radarstationen, Nachtsichtgeräte etc.) und verfügbare Grenzschutzspezialisten der Mitgliedstaaten führt. Andererseits arbeitet sie auf der Grundlage einer nachrichtendienstlich ausgerichteten Risikoanalyse gemeinsame Operationen aus und unterstützt diese. Die konkrete Durchführung der Operationen verbleibt aber in den Händen der Mitgliedstaaten.
Was sagt Amnesty International zu Frontex?
Immer wieder geraten Mitarbeiter*innen der Frontex-Behörde in den Verdacht, an illegalen Push-Backs mitgewirkt zu haben. Push-Backs gefährden das Leben von Menschen, sind nach EU- und internationalem Recht illegal und dürfen keinen Platz im EU-Grenzmanagement haben. Frontex wäre dazu verpflichtet, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um Menschen vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen. In dem Bericht „Greece: Violence, Lies and Push-Backs” von Juni 2021 fordert Amnesty International die EU- Grenzschutzagentur Frontex auf, ihre Operationen in Griechenland auszusetzen, da sie ihrer Pflicht nicht nachkommt, Menschenrechtsverletzungen zu verhindern.
“Amnesty International sieht wie der UNHCR dringenden Handlungsbedarf, bei den europäischen Mitgliedstaaten gegen rechtswidrige Rückweisungen von schutzsuchenden Menschen an den EU-Außengrenzen vorzugehen. Die Tatsache, dass Frontex die Tätigkeit in Ungarn einstellt, nachdem das Land weiterhin Schutzsuchende nach Serbien abschiebt, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung”, sagt Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland. “Angesichts der anhaltenden Berichte über schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen an der griechisch-türkischen und an der bosnisch-kroatischen Grenze, muss Frontex die Situation überprüfen und gegebenenfalls seine Operationen aussetzen oder beenden. So sieht es das EU-Recht vor.”
Beamtinnen und Beamte von Frontex machen sich auch dann an Menschenrechtsverletzungen mitschuldig, wenn illegale Push-Backs durch andere Grenzbehörden unterstützt oder nicht gemeldet werden. Seit 2017 hilft Frontex beispielsweise beim Aufspüren von Migrantenbooten aus der Luft, was dazu führen kann, dass Menschen nach Libyen zurückgebracht werden.
“Für eine Behörde, die den Schutz der EU-Außengrenzen zusammen mit den EU-Mitgliedsstaaten sicherstellt, sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, sich dabei an internationales Recht zu halten. Es ist nicht entschuldbar, dass Frontex trotz der vielen Beweise von Menschenrechtsverletzungen keine Aufklärung anstrebt. Die nationalen Parlamente der europäischen Mitgliedsstaaten sollten deshalb ihre Kontrolle der Frontex-Aktivitäten verstärken”, fordert Beeko. (Pressemitteilung Amnesty International, Januar 2021)
Ein Konsequenz immerhin erfolgte im April 2022: Fabrice Leggeri, bis dahin Chef von Frontex, trat zurück, nachdem sich Vorwürfe erhärteten, dass Frontex nichts gegen die Pushbacks vor der griechischen Küste unternommen habe.